Gesundheit zum Nulltarif – mit dem Tagebuch. Tipp des Monats im Februar: Ordnungstherapie

Medizin im Einklang mit der Natur besteht nicht primär aus Medikamenten, sondern in der Ordnung unseres Lebens – als Prophylaxe und zur Therapie. Dabei geht es nicht um Vorschriften, sondern um Selbstbestimmung. Eine Art Gesundheitstagebuch kann dabei sehr hilfreich sein.

„Rezepte ausstellen, das kann doch jeder mit ein bisschen Übung“, schimpfte sinngemäß Christoph Wilhelm Hufeland (1762–1836), der große Arzt der Goethe-Zeit, aber das habe doch wenig mit Heilkunde zu tun. Hufeland verfasste 1795 ein Buch mit dem Titel „Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern“, welches damals reißenden Absatz fand. „Hierin waren die Alten vernünftiger als wir“, schreibt Hufeland. „Sie benutzten die Medizin und die Ärzte weit mehr zur Bestimmung ihrer diätetischen Lebensart …“ Der Begriff der „diätetischen Lebensart“ bezieht sich auf die „Diaita“ (Diätetik), die Regeln der gesunden Lebensführung, wie sie schon von Hippokrates (460–370 v. Chr.) formuliert wurden. Da ging es unter anderem um Licht und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlafen und Wachen, natürlich auch um die Ernährung – und nicht zuletzt um Gemütsbewegungen.

Wie sieht es mit Ihrer Selbstfürsorge aus: Wie gesund ernähren Sie sich? Zu welchen Zeiten essen Sie? Gönnen Sie sich dabei Ruhe oder machen Sie etwas nebenher? Wie viel bewegen Sie sich während der Arbeit, wie viel in der Freizeit? Sind Sie täglich an der frischen Luft? Wie viele Pausen gönnen Sie sich während der Arbeit? Was tun Sie zu Hause für die Entspannung? Wie sieht die Schlafhygiene aus, sorgen Sie für gute Schlafbedingungen?

Wie geht es Ihnen mit diesen Fragen? Haben Sie Interesse, sich damit zu befassen – oder fühlen Sie sich gleich gegängelt oder ertappt? Als „frisch gebackener“ Heilpraktiker vor rund 25 Jahren dachte ich häufiger: Viele Patientinnen und Patienten bräuchten gar keinen HP, wenn sie nur ihr Leben gesünder gestalten würden. Das ist zum einen keine gute Geschäftsgrundlage. Zum andern kann man sich als „junger Wilder“ mit seiner Gesundheitsmission auch verrennen oder den fiktiven Hörsaal der Naturheilkunde leer predigen. Dann wird aus dem rechten Maß und der Ordnungstherapie schnell eine Orthorexie, eine zwanghaft gesunde Lebensführung nach Vorschriften, und das ist eben manchmal doch nicht so gesund.

Abgesehen von solchen Extremen ist das Potenzial der sogenannten „Ordnungstherapie“ – der Begriff hat sich nie richtig durchgesetzt, wahrscheinlich weil er nach autoritärer Erziehung klingt – immens. Die gängigen Symptome und Krankheiten können fast alle damit zumindest gebessert werden: Bluthochdruck, Verstopfung, Reizmagen, Frauenleiden, Kopf- und Rückenschmerzen, Infektneigung, Juckreiz und andere mehr.

Der zentrale Faktor, der heute eine gesunde Lebensordnung verhindert, scheint der Stress zu sein.  „Mehr als 60 Prozent der Arztbesuche sind stressbedingt“, sagen Gesundheitsforscher. Ordnungstherapie bedeutet maßgeblich, dass der Patient sich bewusst wird, wie viel er sich selbst wert ist und wie achtsam er daher mit seinen inneren Signalen umgeht. Sie bedeutet jedoch nicht automatisch nur Disziplin und Askese. Es geht nicht darum, dass wir alle um 21 Uhr zu Bett gehen. Wesentliche Schritte zu einer gesünderen Lebensordnung sehen für verschiedene Patienten ganz unterschiedlich aus. Und es geht bei der Lebensordnung auch um Lebenslust und Lebenskunst!

Beispiel Bluthochdruck: Stress reduzieren bedeutet konkret auch, Kaffee und Alkohol (und natürlich Nikotin!) konsequent reduzieren oder meiden. Dadurch bes­sert sich zum einen die Schlafqualität, zum andern wird der Körper nicht länger durch künstliche Anregung (Kaffee) und Zwangsentspannung (Alkohol) genötigt, die eigenen Leistungskurven zu unterdrücken. Nur so erfährt man seine Grenzen, erlebt seine Müdigkeitsphasen bewusst und gibt ihnen angemessen nach. 10–15 Minuten Mittagsruhe statt noch mehr Kaffee, und abends um 22 Uhr ins Bett. Der Alkoholverzicht führt zu verbesserter Schlafqualität und überdies bei vielen Hochdruckpatienten zu einer direkten leichten Blutdrucksenkung.  Das Salz in der Nahrung zu reduzieren hilft auch einem Teil der Betroffenen, wiederum ein paar mmHg zu gewinnen.

Das Tier verhält sich instinktiv natürlich. Der Mensch ist allerdings auch noch ein Naturwesen, auch im Gehirn, gerade in jenem „tierischen“ Teil, der viele wichtige physiologische Prozesse wie Wärmehaushalt, Blutdruck und Herzschlag unwillkürlich zu regulieren versucht, im „vegetativen“ Nervensystem. Wir können die Signale aus diesem Bereich ignorieren – es wäre auch schrecklich, wenn wir ständig im Alltag damit konfrontiert würden, wie unser Herz schlägt oder welcher Darmabschnitt gerade aktiv ist. Aber wir dürfen diese Selbstregulationen nicht dauerhaft durch eine ungesunde Lebensordnung beschädigen.

Tipp: das Gesundheitstagebuch

Bei vielen ernährungsbedingten Krankheiten hat sich ein „Ernährungstagebuch“ bewährt, bei Migräne tragen „Kopfschmerztagebücher“ wesentlich zum Behandlungserfolg bei. Diese Modelle lassen sich nachahmen mit einem „Gesundheitstagebuch“. Dabei wird nicht unbedingt jeder Tag akribisch festgehalten, sondern eher immer mal wieder Forschung betrieben. Im Gesundheitstagebuch können Erkenntnisse, Pläne und Vorsätze notiert werden.

Manchmal ist das, was „instinktiv“ das Richtige zu sein scheint, genau das Falsche. So kann z. B. Alkohol kurzfristig das Einschlafen erleichtern, beschädigt aber erheblich die Schlafqualität. Oder ein anderes Beispiel: Wer unter Erschöpfung leidet, meint das passive „Abhängen“ wäre das Einzige, wozu er noch in der Lage ist. Gerade aber bei Erschöpfung (und speziell bei depressiven Zuständen im Rahmen von Burnout) hilft paradoxerweise regelmäßige Bewegung, idealerweise an der frischen Luft. Durch die Kombination aus Wissen und selbstgemachter Erfahrung bildet sich eine Intuition dafür, was mir gut tut und was gesund für mich ist. Und: Was man aufgeschrieben hat, prägt sich besser ein!

 

Foto: © Dean Moriarty auf Pixabay

Text: © C. Wagner, 1. Vors. NHV Taunus; eine Übersicht über naturheilkundliche Maßnahmen gegen Bluthochdruck finden Sie im Blog auf meiner Website www.wastutdirgut.de: https://wastutdirgut.de/b-wie-bluthochdruck/

Guter Appetit: Alles andere als ein Luxusproblem! (Tipp des Monats)

Appetit klingt attraktiv, vielleicht aber auch nach Luxus, dabei handelt es sich um ein äußerst wichtiges Vitalphänomen, also eine Lebenserscheinung. Daher ist die bei der ärztlichen Anamnese oft scheinbar nebenher gestellte Frage– „Und wie schaut’s mit dem Appetit aus?“ – keinesfalls eine Lappalie.

Zunächst wird mit Appetit ein lustvolles Verlangen auf Nahrung, oft auf spezielle Nahrungsmittel oder Zubereitungen bezeichnet. Im Zusammenhang mit „lustvoll“ mag interessant sein, dass die Appetitlosigkeit, im Fachjargon Inappetenz, außer in Bezug aufs Essen in der Medizin und Psychologie noch in Bezug auf Sex vorkommt, als sexuelle Inappetenz, u.a. ein Zeichen für Depressionen. Zwischen Gemütslage und Appetit gibt es wichtige Verbindungen: Im Rahmen von depressiven Episoden kann massiver Appetit- und in der Folge dramatischer Gewichtsverlust auftreten, dies ist dann keinesfalls Anzeichen einer Essstörung, sondern Hinweis auf das Ausmaß der Depression.

Mangelnder Appetit kann viele Ursachen haben, von schwerwiegenden Erkrankungen über Geruchs- und Geschmacksstörungen bis hin zum „normalen“ Alterungsprozess, dem in Bezug auf den Appetit eine gewisse biologische „Weisheit“ unterstellt wird: Der Appetit bildet sich zurück, denn mit zunehmendem Alter bewegt sich der Menschen weniger und sollte daher auch weniger essen. Aber gerade bei alten Menschen können wir beobachten, wie sehr der Appetit mit der Gemütslage korrespondiert: Der Appetit auf Lebensmittel und Speisen ist häufig ein Zeichen für den Appetit auf Leben überhaupt. Mit anderen Worten, solange der Senior noch mit erkennbarem Appetit isst, besteht noch Lebenswille.

Appetit und Gemüt, da besteht eine teils dramatische Wechselwirkung. Aus Studien zu „Appetitzüglern“, also Schlankheitspillen und Abnehmspritzen, weiß man, dass die Hemmung des Appetits zu einer Hemmung der Lebensqualität und Lebensfreude führen kann, die Betroffenen also trotz deutlich sinkendem Gewicht (worauf sie immer gehofft hatten!) nicht fröhlicher, sondern depressiver werden und sich schlechter psychisch regulieren können, bis hin zu Selbstverletzungspraktiken und einer gesteigerten Suizidalität. Kritiker, die die Geschichte der Abnehm-Medikamente beleuchten, werfen der Pharmaindustrie Vertuschung vieler Suizide vor, die teilweise selbst in den Studien aufgetreten sein sollen.

(Nicht nur) Psychotherapie dient dazu, den Appetit auf Leben wieder zu entdecken oder zu steigern. Das klingt zwar zunächst gut, ist aber nicht ganz ungefährlich: Menschen, die diesen „Appetit“ (wieder) entdecken, wenn sich die depressive Glocke über den Gefühlen und Bedürfnissen hebt und sie ein besseres Leben für möglich oder gar wahrscheinlich halten, können für ihre Kollegen, Arbeitgeber, Partner und Angehörigen zum Risiko werden, und auch für sich selbst, wenn sich dieser Appetit im Alltag nicht befriedigen lässt. Nun aber zurück zum Appetit auf Essen bzw. zum Appetitmangel:

In der Ganzheitsmedizin gibt es eine Reihe von Tipps zur Anregung oder Steigerung des Appetits, bekannt sind die Bittertropfen in vielen Varianten, wo bei man hier mal wieder eindringlich daraufhin weisen muss, dass die Dosis entscheidend ist – zu viel kann den Appetit erst recht abwürgen. Besser wäre auf Dauer ohnehin, mehr bittere Gemüse wie Artischocke, Chicoree oder Radicchio in den Speiseplan zu integrieren. Manchen hilft auch sauer eingelegtes Gemüse oder sauer mariniertes Eiweiß (Fleisch, Tofu o.ä.). Was Appetit auslöst, ist also auch individuell und je nach Lebensphase verschieden – ein Phänomen, das aus vielen Schwangerschaften bekannt ist.

In den letzten Jahren ist der Ingwer als Allheilmittel (u.a. auch fürs Immunsystem) immer beliebter geworden, tatsächlich passt er auch hierher, er hilft sowohl der Übelkeit ab und regt auch den Appetit an. Aber, apropos Übelkeit: Vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt (um Dr. V. Schmiedel zu zitieren). Bei anhaltender Übelkeit handelt es sich nicht um Mangel an Appetit, da müssen zunächst die möglichen Ursachen geprüft werden, bevor man irgendwie „herumdoktert“. Wenn Übelkeit auf Medikamente zurückgeht – in extremer Form bei der Chemotherapie – braucht es Konzepte, also mehr als nur Bittertropfen. Es gibt ja nicht nur Medikamente, die als Nebenwirkung Übelkeit haben z.B. auch Säureblocker oder Antibiotika), sondern auch Medikamente gegen Übelkeit wie Antihistaminika oder Antiemetika (z.B. Metoclopramid); nichts, was man den Rest des Lebens einnehmen möchte oder dürfte, aber manchmal auch nötig.

Nicht zuletzt sollte man aber auch an die anderen beiden Standbeine der klassischen naturheilkundlichen Trias (Ernährung, Bewegung, Entspannung) denken. Bewegung und Entspannung helfen dem Appetit auf die Sprünge, gerade auch dann, wenn der Appetitmangel im weitesten Sinne mit „Stress“ zu tun hat (Arbeitsstress, aber auch Trauer, Aufregung, Angst, Sorge und Kummer). Es braucht eine Reduktion des Stresslevels von beiden Seiten: Wie wir den Stress generell besser in den Griff bekommen und wie wir mit den akuten Stress-Spitzen umgehen. Es klingt immer so unspektakulär und daher vielleicht wenig durchschlagskräftig, aber das täuscht: Bewegung und Entspannung sorgen oft für durchschlagenden Erfolg.

Zuletzt erinnern wir uns aber daran, dass manche Menschen bei Stress mehr „Appetit“ zeigen, von regelrechten Fressattacken geplagt werden und zunehmend mit Übergewicht zu kämpfen haben. Daher habe ich den Appetit hier in Gänsefüßchen gesetzt, denn emotionaler Hunger und Essen als Ersatzbefriedigung eher wenig mit echtem Appetit zu tun haben. Deshalb sollte man diesem Problem auch nicht mit Appetitzüglern, egal ob als Pille oder Spritze, auf den Leib rücken, sondern mit alternativen Strategien zum Umgang mit emotionalem Stress. Leicht gesagt, ich weiß. Alles beginnt damit, dass wir der Realität ins Auge blicken und nicht – wie der Franke manchmal – „bassd scho“ sagen, wenn nichts mehr passt!

Text: Christoph Wagner, NHV-Vors.

Bild: Tania van den Berghen auf Pixabay

Ein langes Leben oder das rechte Maß

Soldaten haben wir viel in Sachen Lebensverlängerung zu verdanken – ich bin Kriegsdienstverweigerer –, vor allem etliche gut gemachte Gesundheitsstudien. Zuletzt hat das sogenannte Million Veteran Program, das ist die Auswertung der Gesundheitsdaten von mehr als 700.000 ehemaligen US-Militärangehörigen, für Aufsehen gesorgt: mit Schlagzeilen wie „20 bis 25 Jahre länger leben“. Dabei ist diese Botschaft eher eine Umkehrung der Studienergebnisse, die in erster Linie Hinweise darauf geben, wie man sein Leben effektiv verkürzt (!), nämlich vor allem mit geringer körperlicher Aktivität, mit Rauchen und der Abhängigkeit von Opioid-Schmerzmitteln, ein in den USA verbreitetes Problem; man kann davon ausgehen, dass auch bei uns die Abhängigkeit von Schmerzmitteln und anderen Medikamenten die Lebenserwartung drastisch begrenzt. Medikamente sind in den „hoch entwickelten“ Ländern die dritt häufigste Todesursache. (Aber lesen Sie das bitte nicht als Empfehlung, sofort und eigenmächtig Ihre Medikamente abzusetzen, auch das kann krass lebensverkürzend wirken.) Neben diesen Faktoren zeigten hoher Alkoholkonsum, schlechter Umgang mit Stress, mangelnde Schlafhygiene und ungesunde Ernährung eine starke lebensverkürzende Wirkung.

Mit der Frage, wie sich die Lebensspanne verlängern lässt, beschäftigen sich Medizin und Philosophie seit Menschengedenken. Im alten Griechenland gab es dafür die Lehre der Diätetik – die keinesfalls nur mit Ernährung (also Diät) zu tun hatte, sondern mit der Lehre vom rechten Maß. Den Begriff „Makrobiotik“ hatte schon Hippokrates von Kos (460-370 v.Chr.), der Begründer der Medizin als Wissenschaft, für Methoden der Lebensführung, die zur Langlebigkeit beitragen, verwendet.

In Europa wurde der Begriff um 1800 wieder aufgegriffen und nahezu populär gemacht, als Christoph W. Hufeland (1762-1836), der bekannteste Arzt der Goethe- und Aufklärungszeit, seinem Hauptwerk von 1796 diesen Titel gab: „Makrobiotik oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern“.  Er war nach langjährigem Studium vieler Berichte zu dem Schluss gekommen, dass ein Alter von 150 Jahren, bei günstigen Voraussetzungen sogar von 200 Jahren, prinzipiell möglich sei. Hui! In der Folgezeit ist die Medizin bescheidener geworden.

In den rund drei Jahrzehnten, in denen ich mich mit Naturheilkunde befasse, bin ich immer wieder auf die These von Medizinern und Wissenschaftlern gestoßen, 120 Jahre seien ohne Weiteres möglich, wie gesagt: allein durch gesunde Lebensführung (und bei einer entsprechenden Veranlagung), d.h. ohne genetische Tricks, die irgendwann die Grenzen verschieben könnten. Ich habe aber in dieser Zeit auch immer wieder die Erfahrung gemacht, dass sich die wenigsten Menschen hierzulande für ein so langes Leben (120 Jahre) interessieren, schon gar nicht, wenn sie dafür auf etwas verzichten müssten. Verstehen Sie dies und das Folgende bitte nicht als moralische Wertung.

Interessanter Weise verbinden viele Menschen gerade mit extremen Genüssen die Lebensfreude – und wenn man ihnen rät, die Extreme zu meiden oder zu reduzieren, erleben sie das so, als wollte man ihnen Lebensfreude nehmen. Da die Extreme aber, wie Hufeland sich ausrückte, die Lebenskraft auslaugen, schmälern sie auf Dauer auch die Lebensfreude. Ein Beispiel: Jemand, der reichlich Fleisch und Alkohol sowie vielleicht auch Süßigkeiten oder Softdrinks zu sich nimmt, spürt zwar direkt dabei und danach eine stimulierende Wirkung, insgesamt ist aber sein Stoffwechsel dauerhaft so überlastet, dass er keine solide Basis für Wohlbefinden und Lebensfreude bieten kann. In der gleichen Zeitungsausgabe, in der ich kürzlich über das Million Veteran Program las, fand sich eine Randnotiz unter „Aus aller Welt“ (aha), dass Starkoch Johann Lafer auf vegetarisch betonte Koste umgestiegen sei, nachdem ihn Arthrose und Gelenkschmerzen zum Umdenken gezwungen hätten. Da geht es also nicht unbedingt um das lange Leben, sondern einfach darum, wieder mehr Lebensqualität zu erlangen.

Einen Weg der Mitte zu beschreiben das war und ist letztlich das Bestreben aller diätetischen Lehren: das rechte Maß zu formulieren, den goldenen Mittelweg zu beschreiben – von Hippokrates über Hildegard von Bingen bis zu Hufeland und Kneipp. Bei den Beispielen von höchstem Alter ist Hufeland oft eine Art von Diät oder Fasten aufgefallen, die meisten hätten sich vor allem an eine pflanzliche Kost gehalten und insbesondere den Branntwein gemieden. Seine Tipps sind so unspektakulär, dass sie gerne überhört werden: „Die alte Regel bleibt also immer noch wahr: man höre auf zu essen, wenn man noch etwas essen könnte.“

Doch es geht all den genannten und ungenannten Diätetikern nicht nur um die Ernährung. Noch einmal Hufeland: Der Mensch könne sein Leben vor allem verlängern, indem er zurückhaltend beim Verbrauch der Lebenskraft sei – „das wichtigste Verlängerungsmittel“ – und indem er diese Kraft regenerieren helfe. Die Natur gebe uns die beste Anleitung dafür, wie sich exemplarisch am Schlaf zeige: „in dieser Pause liegt das größte Mittel zur Verlängerung“ des Lebens.

Auch dies klingt vielleicht banal. Diesen Einwand kannte schon Hufeland und konterte ihn: Ihm sei schon klar, dass von seinen Ratschlägen viele Ärzte, erst recht die Scharlatane mit ihren Wundermitteln und schließlich auch die „Verbraucher“ (würde man heute sagen) oder Patienten selbst nichts hören wollten. Die eine würden eben lieber etwas verschreiben oder verkaufen als vernünftige Medizin zu betreiben – und die anderen würden lieber etwas verschrieben bekommen oder kaufen.

Erfahrungsgemäß ist es kontraproduktiv, diätetische Beratung, sei es in Sachen Ernährung oder bei der gesunden Lebensführung, mit Moral zu verquicken. Wenn Klienten oder Patienten den Eindruck haben, sie sollen umerzogen werden, bewirkt man in der Regel das Gegenteil. Ein guter Berater oder Therapeut verbindet die Kritik am „System“ mit Verständnis für die, die darin leben und es immer neu erzeugen. Leichter gesagt als getan. Manchmal hilft die Selbsterkenntnis, dass es mit der eigenen „Makrobiotik“, dezent formuliert, auch nicht immer so weit her ist …

Text: © Christoph Wagner, www.wastutdirgut.de

Foto: © Gerd Altmann (geralt) auf Pixabay

 

Wie nützlich sind Nahrungsergänzungsmittel? (Teil 1)

Von Christoph Wagner (HP), Vors. des NHV Taunus

Es ist ein alter Traum der Menschheit, durch konzentrierte Nährstoffe einen Gesundheitseffekt zu erzielen. Man kann die Geschichte der Nahrungsergänzung daher vor unserer Zeitrechnung anfangen lassen. Doch der Durchbruch kam erst im 20. Jahrhundert mit der Entdeckung der Vitamine und später anderer Mikronährstoffe – und nicht zuletzt mit dem modernen Marketing. Die Einstellung zu Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) in Kreisen der Naturheilkunde hat sich im Laufe der vergangenen 50 Jahre ziemlich gewandelt.

In den 1980er Jahren war die Meinung in den Naturheilvereinen überwiegend ablehnend (ein paar Fans isolierter Vitaminpräparate fanden sich schon, aber als Außenseiter). Symptomatisch dafür stehen die Sprüche des Vollwertpioniers Max Otto Bruker: „Kauf nichts, wofür Werbung gemacht wird!“ Oder auch: „Es gibt keine Abkürzung auf dem Weg zur Gesundheit.“ Bruker ist sich treu geblieben, seine Mitstreiter haben erkennen müssen, dass sich die Zeiten ändern und man mit derart radikalen Aussagen über kurz oder lang „die eigene Kirche leerpredigt“ bzw. die Fangemeinde drastisch reduziert – denn viele Menschen wollen eben doch nicht alles der gesunden Ernährung überlassen.

Gab es in den Jahren unmittelbar nach der Jahrtausendwende seitens des Deutschen Naturheilbundes, Dachverband der Naturheilvereine, noch ziemlich kritische Stellungnahmen zur Verwendung und Verbreitung von NEM, hat man sich nach meinem Eindruck mehr und mehr von dieser undankbaren Front entfernt. Nennen wir es mal einen Zuwachs an Realismus, auch wenn der Brukersche Idealismus durchaus noch heute bei einer Minderheit Anklang findet. Und es ist ja nicht nur Idealismus, vergessen wir nicht: Die meisten (!) NEM sind überflüssig und schon allein durch die Verbreitung von Illusionen schädlich.

Nahrungsergänzungsmittel heißen so, weil sie die Nahrung ergänzen sollen mit Stoffen, die man eigentlich auch über die Nahrung einnehmen könnte. Sie enthalten zwar bestimmte Stoffe in konzentrierter Form und haben, damit verbunden, (behauptete) gesundheitliche Effekte, dürfen aber keine medizinisch-therapeutische Wirkung aufweisen und auch nicht entsprechend beworben werden. Wenn Sie jetzt „Was? Wie? Versteht das jemand?“ fragen, haben Sie völlig Recht: Darin steckt viel Widerspruch und Paradoxie – und bietet Freiraum, den die Anbieter mehr oder weniger dreist nutzen, um allerlei zu tricksen. Dennoch müssen die Präparate nicht von vorneherein alle schlecht oder sinnlos sein.

Ein typischer Trick besteht darin, dass irgendein mehr oder weniger ominöser Stoff, nehmen wir den Extrakt einer exotischen Beere, z.B. mit Bild oder im Namen des Präparats als die wirksame Zutat angepriesen wird. Darunter stehen dann Schlagzeilen wie: Unterstützt das Immunsystem, schützt vor Infekten. Würde es sich um den reinen Beerenextrakt handeln, dürfte diese Behauptung gar nicht aufgestellt werden. Da der Hersteller aber Vitamin C und Zink in das Präparat gepackt hat, darf er die Health Claims (Gesundheitsversprechen), die an diese beiden bewährten Mikronährstoffe gekoppelt sind, auf das ganze Präparat übertragen. Der Kunde denkt natürlich, die zauberhafte Beere würde ihn schützen, nichts davon ist erwiesen, und die extrem billigen Zutaten Vitamin C und Zink ermöglichen letztlich die Vermarktung des total überteuerten Präparats. Apropos Zutaten: Sie sollten sehr genau hinschauen, wie das Präparat zusammengesetzt ist. Nicht selten finden sich darin problematische Farbstoffe, Konsistenzhilfen oder Süßungsmittel. Ich würde diese Stoffe nicht lebenslang zuführen wollen.

Viele NEM werden so präsentiert, als handele es sich um ein Monopräparat, z.B. Magnesium, dabei finden sich noch allerlei andere Stoffe daran, z.B. auch B-Vitamine – allerdings in einer solch niedrigen Dosierung, dass es für den Organismus vermutlich irrelevant ist. B-Vitamine werden oral (über den Mund, also Verdauungstrakt) schlecht aufgenommen, daher braucht es im Prinzip eine Hochdosis (oder eben eine Injektion bzw. Infusion), um nachweisbare Effekte zu erzielen. Ob das aber sinnvoll ist, sofern man nicht zu einer für Mangel prädestinierten Risikogruppe gehört, da gehen die Meinungen auseinander – und auch die Studien. Es gibt abschreckende Forschungsergebnisse über die negativen Effekte von B-Vitaminen bei Krebspatienten, also bereits Erkrankten. Was dies für (vermeintlich) Gesunde heißt (deren Krebs vielleicht nur noch nicht entdeckt wurde), wissen wir nicht.

Neben den „klassischen“ NEM mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen gibt es ein breites Repertoire an Mitteln mit pflanzlichen „Wirkstoffen“. Viele davon sind eigentlich als Arzneimittel einzuschätzen. Nahrungsergänzungsmittel sind allerdings wie Nahrungsmittel frei verkäuflich und dürfen (!) daher gar nicht wie Medikamente wirken. Daher versuchen die Hersteller einen abenteuerlichen Spagat: einerseits beim Kunden den Eindruck zu erwecken, das Produkt sei wirksam wie ein Medikament, andererseits dennoch den gesetzlichen Bestimmungen für NEM zu entsprechen (weil andernfalls eine dann nötige Arzneimittelzulassung sehr aufwändig wäre). Man kann es nicht oft genug sagen: Es wird getrickst. Aber richtig ist auch: Die Situation ist so komplex, dass man nicht behaupten kann, diese Trickserei sei nur zum Nachteil der Verbraucher.  (Für viele neuere Lebensmittel oder daraus gewonnene Extrakte sowie Kräuter wäre eine Arzneimittelzulassung unrealistisch, weil zu teuer; wären sie nicht als NEM erhältlich, müssten wir darauf verzichten.)

Zum Beispiel Roter Reis Extrakt: Schon vor etlichen Jahren wurde festgestellt, dass der Extrakt aus fermentiertem Rotem Reis effektiv wie Statine (synthetische Cholesterinsenker) wirkt und den Cholesterinspiegel deutlich senkt. Aus dem Geheimtipp wurde ein Beststeller, was Pharmaunternehmen, Forscher und Zulassungsbehörden mit Argwohn betrachten. Es wird behauptet, dass Roter Reis nicht nur ähnlich effektiv wirke, sondern auch, dass die Effekte auf dem gleichen Wirkmechanismus wie bei Statinen beruhen und dementsprechend mit ähnlichen Nebenwirkungsrisiken (z.B. Muskelschwäche) verbunden seien. Entsprechend wurde die erlaubte Höchstdosis für die Roter-Reis-NEM drastisch gesenkt, sondern wären sie als Arzneimittel eingestuft worden. Das ist ein bisschen absurd, weil der Verbraucher problemlos nun eine größere Menge des NEM nehmen kann, um wieder eine de facto arzneiliche Wirkung zu erzielen.

Ein anderes Beispiel wäre Mariendistel-Präparate. Die Pflanze wirkt nachweislich leberschützend und -regenerierend. Es gibt etliche (teure) zugelassene Arzneimittel, aber auch einige Mariendistel-NEM, die sich gewissermaßen unter der Zulassung durchgemogelt haben und ihre Gesundheitsversprechen z.T. an Zusatzstoffe koppeln, was aber nicht heißt, dass diese Präparate z.B. wegen niedriger Dosis unwirksam wären (zumal man ja auch da zwei statt einer Kapsel nehmen kann).

Eine Frage, die man sich bei NEM immer stellen sollte, lautet: „Weshalb und wozu brauche ich das überhaupt?“ Besteht etwa ein Mangel an dem entsprechenden Mikronährstoff? Bei Eisen, Kalzium, Folsäure und (anderen) B-Vitaminen kann je nach Geschlecht, Alter und Lebensweise tatsächlich ein Mangel bestehen, aber einen entsprechenden Verdacht könnte man erst einmal labormäßig überprüfen. Nur bei Risiko für einen Mangel an Vitamin B12 (z.B. durch langjährigen konsequenten Veganismus oder Magen-Darm-Erkrankungen) sollte man gar nicht warten, bis ein Mangel vorliegt, dann sind nämlich oft schon irreparable Schäden eingetreten! Aber die Wirkung der Einnahme sollte dann wieder durch Laborkontrollen überprüft und angepasst werden.

Nicht vergessen möchte ich Omega 3: Diese Fettsäuren sind von weitreichender Wirkung auf allerlei Organsysteme, von Gelenken bis Immunsystem. Dies ist gut belegt, selbst wenn es auch etliche Studien gibt, die die Effekte oder deren Bedeutung in Frage stellen. Ich habe allerdings einen Widerwillen gegen Fischölprodukte (möchte gar nicht wissen, wie die hergestellt werden), zumindest wenn ich sie zeitlebens nehmen soll, und ebenso wenig kann ich mir vorstellen, pflanzliche Produkte auf Algenbasis dauerhaft zu nehmen, sofern sie problematische Zusatzstoffe wie Carrageen enthalten – und die carrageenfreien Präparate sind bisher in der Regel so teuer, dass ich mich zurückhalte.

Jetzt wird es also langsam persönlich … und ich lasse Sie in einem zweiten Teil des Beitrags in meinem Küchenschrank, Abteilung NEM, schauen: Was ich regelmäßig, aber nicht unbedingt täglich einnehme.

> Hier geht es zur Fortsetzung.

Foto: © Bruno auf Pixabay

Nahrungsergänzungsmittel (NEM): Mein persönlicher Umgang damit (Teil 2)

> Hier geht es zum ersten Teil des Textes.

In diesem Teil des Beitrags, der sich zunächst allgemein und grundlegend, dann mit einigen prominenten Nahrungsergänzungsmitteln befasst hat, lasse ich Sie in meinem Küchenschrank, Abteilung NEM, schauen: Was ich regelmäßig, aber nicht täglich nehme.

  • Vitamin C und Zink bei einem akuten Infekt oder auch nur einem Anflug davon. 1000 mg Vitamin C dürfen es dann schon sein. Das Schlimmste, was bei Überdosierung passieren kann, ist etwas dünner Stuhl bzw. Durchfall. Die Wirkung von Vitamin C ist so gut dokumentiert, der einzige Grund, warum es oft nicht ausreichend eingenommen wird, ist vermutlich, dass daran nicht viel verdient werden kann und sich Werbung nicht lohnt.
  • Vitamin D, vor allem im Winterhalbjahr. Vitamin D ist eigentlich kein „Nahrungsergänzungsmittel“, weil man über eine ausgewogene Nahrung unmöglich genug davon aufnehmen kann. Der Körper produziert es im Sommerhalbjahr selbst, wenn wir ausreichend in der Sonne sind. Den Vitamin D-Spiegel sollte man mindestens einmal, besser zweimal im Jahr bestimmen lassen, um die Dosis anzupassen – nach ob oder nach unten.
  • Magnesium: Vermutlich ist Magnesium der Mineralstoff, bei dem i Bevölkerungsquerschnitt am ehesten Mangel besteht. Er hat vielfältige Wirkungen, u.a. aufs Herz, sorgt für Muskelentspannung. Wenn keine besonderen Anlässe (z.B. akute Muskelkrämpfe) vorliegen, nehme ich alle drei bis fünf Tage 250 mg, vorzugsweise Magnesiumcitrat und im Sommer eher häufiger. Eine Überdosierung ist unbedenklich, da überschüssiges Magnesium über den Stuhl ausgeschieden wird bzw. Stuhlgang auslöst.
  • Selen ist das Spurenelement, das bei vielen nicht ausreichend vorhanden ist. Ich nehme es, u.a. um meiner Schilddrüse Gutes zu tun. Da es prinzipiell auch toxisch wirken kann, mache ich immer mal Kuren damit: über 4-8 Wochen 50 Mikrogramm täglich.

Theoretisch könnte man diese Mikronährstoffe alle über ein einzelnes Kombipräparat einnehmen, da spart man sich unnötige Aufnahme von Füllstoffen, vielleicht auch Kosten. Ich würde aber zum einen darauf schauen, was ich mit dem Kombipräparat noch aufnehme, obwohl ich es gar nicht unbedingt möchte (unnötige bis schädliche Zusatzstoffe), und zum andern, ob ich mit den mir besonders wichtigen Nährstoffen auch die erwünschte Dosis erziele (dies ist häufig nicht der Fall).

  • Ich nehme eine Kapsel Roter Reis täglich, obwohl diese mittlerweile aus gesetzlichen Gründen nur noch 3 mg Monacholin enthält (gegenüber vorher 4,5 mg). Wenn ich ein Blutbild machen lasse, sehe ich, ob die Wirkung auf meinen sonst sehr hohen Cholesterinwert auseichend ist. Zur Vorbeugung eventueller Nebenwirkungen (auf die Muskulatur), die man nicht grundsätzlich ausschließen kann – was wirkt, hat auch ein Risiko für Nebenwirkungen –, nehme ich ab und zu ein Q10-Präparat (was auch bei Einnahme von Statinen/Medikamenten zur Cholesterinsenkung empfohlen wird).
  • Ich nehme kurmäßig für 26 oder mehr Wochen im Jahr ein Mariendistelpräparat, da ich seit 15 Jahren Gallensteine habe und – vermutlich aus diesem Grund – eine Tendenz zu erhöhten Leberwerten. Im Blutbild kann ich sehen, ob die Leberwerte aktuell okay sind. Da bei mir eine entsprechende Diagnose vorliegt (Gallensteine), zahlt die Kasse auch die Bestimmung der Leberwerte, ansonsten muss man dafür selbst berappen.
  • Bei Omega 3 bin ich zugegebenermaßen inkonsequent, ich „glaube“ daran, aber ich nehme nichts regelmäßig. Öfter mal Fisch essen (v.a. statt Fleisch, falls Sie Fleischesser sind), immer wieder Leinöl (nicht besonders effektiv, aber doch gesund) und Hanföl ins Essen, mal Algenpulver im Smoothie – und manchmal Fischöl oder veganes Omega 3. Das ist ziemlich vage, aber ich habe auch keine Symptome oder Probleme (z.B. entzündliche Gelenk- oder Darmerkrankung), bei denen ich einen Hochdosiseinnahme für wichtig halten würde. Wäre dem so, würde ich vorher noch den Omega-3-Omega-6-Quotienten im Blut bestimmen lassen, das kostet Geld, ist aber vielleicht gut investiert – und man stochert nicht nur im Nebel.

Vielleicht sagen Sie jetzt: Diese Palette ist langweilig und altbacken. In der Tat, da ist keines der modernen Wundermittel dabei. Davon habe ich schon viele kommen und gehen sehen. Wenn ich früher als Medizinredakteur oder Heilpraktiker von Vertretern auf derartige neu NEM angesprochen wurde, habe ich öfter gesagt: „Ich warte mal noch 20 Jahre, was von den Versprechungen übrigbleibt.“ Das hat sich kaum geändert: Richtig gut belegt ist nur wenig, aber vollmundig beworben wird viel.

Es gibt also ein paar nützliche Stoffe, die unproblematisch sind, weil der Körper bei Überschuss die Ausscheidung erzwingt (Vitamin C, Magnesium), dann gibt es Vitamine, bei denen wir nicht genau wissen, wie gut sie vom individuellen Organismus und je nach Lebensphase verwertet werden, da lohnt sich die Bestimmung der Blutwerte (Vitamin D und Vitamin B12, die Bestimmung ist dabei etwas komplexer). Darüber hinaus kann man auch arzneilich wirksame Stoffe über NEM aufnehmen (obwohl NEM eben nicht arzneilich gedacht sind) und mit den entsprechenden Laborwerten die Effekte kontrollieren (Roter Reis, Mariendistel, Omega 3). Ich habe einen Widerwillen gegen alles, was man nicht überprüfen kann 🙂

Ein bisschen weniger Exotik und Romantik und viel mehr Nüchternheit täte der Thematik gut. Dazu gehört auch, dass man sich klar macht, dass z.B. die meisten Vitaminpräparate (Vitamin D wie auch B-Vitamine) hochindustriell hergestellt sind. Wir können von Glück reden, wenn der Grundstoff bei BASF oder Bayer in Deutschland produziert wurde, vieles kommt längst aus China oder Indien. Chemie ist Chemie, könnte man sagen – aber wollen Sie das ein Leben lang „ergänzen“, um gesund zu bleiben, länger zu leben, fit zu sein und sich wohl zu fühlen? Oder vielleicht doch lieber etwas gesünder leben?

Ich halte wenig von Thesen wie, dass uns die Zivilisationskost krank mache (da würde mich interessieren, wie sich der Vertreter der These selbst ernährt, und zwar ganz konkret), dass wir alle von der Agrarindustrie vergiftet oder trotz vollen Tellern mangelernährt seien – obwohl an all diesen Thesen „irgendetwas“ dran ist, aber nicht genug, um NEM-Einnahme zu begründen. Dass ein gesunder und gesund lebender Mensch durch Einnahme von NEM gesünder wird, das ist eher unwahrscheinlich. Jemand mit nachgewiesenen Erkrankungen dagegen sollte zum Arzt oder Heilpraktiker gehen. Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder entzündlichen Darmerkrankungen trifft beispielsweise das Argument mit der Mangelernährung schon zu, aber da würde ich mich als Betroffener nicht auf irgendwelche NEMs verlassen, sondern mich vom Arzt oder HP gezielt beraten und behandeln lassen, je nach Ausprägung der Erkrankung durchaus auch mit zugelassenen Medikamenten.

Auf der anderen Seite verfolge ich mit Neugier und Entdeckerfreude, was sich auf dem NEM-Markt tut und betreibe durchaus häufiger „Warenkunde“, meist theoretisch (beschäftige mich mit den Inhaltsstoffen und recherchiere), manchmal aber auch praktisch, d.h. ich probiere immer mal etwas aus. Obwohl ich weiß, dass man bei vielen Präparaten eben nichts Genaues weiß und den Anbieterversprechungen nicht glauben sollte, tue ich gerne mal so, als ob ich mir jetzt für vier oder sechs Wochen etwas extra Gutes tun würde. Also, wenn schon einnehmen, dann den Plazebo-Effekt mitnutzen! Es gibt aber auch die anderen Phasen, wo ich wochenlang gar nichts einnehme, um mich unabhängig zu fühlen – und zu spüren, wie das ist, wenn ich „nur auf die Nahrung“ (und Bewegung und Entspannung), nur auf mein gesundes Leben angewiesen bin und meine Gesundheits-“Sünden“ nicht (vermeintlich) mit Pillen oder Säften ausgleichen kann.

Welche Tipps kann man Laien geben? Zunächst einmal ist es wichtig, ein Präparat überhaupt als Nahrungsergänzungsmittel wahrzunehmen, egal wie verheißungsvoll oder „aggressiv“ es beworben wird. Bedenken Sie auch: Nur weil etwas auf der Verpackung sehr natürlich aussieht, muss es das noch lange nicht sein. Im nächsten Erkenntnisschritt gilt es, die beworbenen Gesundheitsversprechen den Inhaltsstoffen zuzuordnen: Warum soll z.B. ein bestimmtes Präparat „das Immunsystem unterstützen“ (vielleicht weil Vitamin C darin ist)? Danach kann man durchaus nach den einzelnen Stoffen und ihren Wirkungen im Internet recherchieren. Und schließlich ist es nie verkehrt, seinen Arzt (Ärztin) oder Heilpraktiker(in) zu fragen – auch deshalb, weil das NEM Wechselwirkungen mit Medikamenten haben könnte oder bei einer hochdosierten Einnahme (die ja eigentlich nicht zulässig ist) sogar Symptome auftreten können, die sich der Arzt dann gar nicht erklären kann, wenn Sie entsprechende Infos geheim halten.

© Christoph Wagner (HP), Vors. NHV Taunus

Foto: © Leopictures auf Pixabay

Nichts essen und gut drauf! Fasten nach Dr. Buchinger

Die Schulmedizin musste es längst anerkennen: Das noch vor Jahrzehnten belächelte Fasten ist nicht nur eine über Jahrhunderte praktizierte Medizin für Körper, Geist und Seele, sondern mittlerweile auch in seinen Gesundheitseffekten von der modernen Naturwissenschaft bestätigt. Tatsächlich eignet sich gerade die Fastenzeit für entsprechende Kuren. In einem Vortrag für den Naturheilverein Taunus wird Fastenleiterin Inge Wertgen das Fasten nach Dr. Buchinger erklären und vorstellen, man könnte auch sagen: Ihnen „schmackhaft“ machen. Kommen Sie am 8. März in die Stadthalle Oberursel!

Tipp des Monats: Es gibt keine Fehler … Raus aus dem Schwarz-Weiß-Denken!

„Es gibt keine Fehler, nur Variationen.“ Ein bisschen Ähnlichkeit hat dieses geflügelte Wort mit dem eher herbstlichen Motto: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung.“ Beide scheinen nicht ganz ernst, aber auch nicht nur als Spaß gemeint. Vielleicht könnte man sie auch als Herausforderung verstehen, aus dem Schwarz-Weiß-Denken von richtig und falsch oder gut und schlecht herauszutreten, jedenfalls die Sache etwas entspannter zu betrachten.

Ich habe das schöne Motto „Es gibt keine Fehler, nur Variationen“ zunächst beim Heilsamen Singen kennen gelernt, und in diesem Kontext verwende ich es selbst immer wieder. Es steht für die Einladung, sich vom Leistungszwang freizumachen: Es beinhaltet das Versprechen von mehr Spaß und Lebensfreude durch weniger Bewertung.

Das Motto trifft auf viele weitere Lebensbereiche und auf die Lebenskunst zu. Aus ihm sprechen Wohlwollen und Güte, wenn es darum geht, etwas anders zu machen oder etwas ganz Neues zu wagen. Wann immer etwas passiert, was unseren Wünschen oder Idealvorstellungen widerspricht oder auch nur unseren Perfektionismus stört, könnten wir uns fragen: „War’s wirklich ein Fehler oder eher eine Variation?“

Sicher, Fehler gibt es – trotz des schönen Wahlspruchs. Manchmal sind sie für etwas gut: Wir lernen etwas aus dem Fehler. Oder die Leidtragenden unseres Fehlers lernen etwas. Manchmal lässt sich zwar beim besten Willen nicht erkennen, wofür ein Fehler gut gewesen sein soll. Doch selbst dann ist er immer noch für eines gut: Uns und unser Umfeld daran zu erinnern, wie wichtig eine menschliche Fehlerkultur ist!

Gerade wenn ein Fehler total bedauerlich, tragisch, ärgerlich, gravierend und natürlich komplett „unnötig“ ist, geht es um die Frage: Wer darf bei uns (wann) (welchen) Fehler machen? Wie gehen wir damit um? Gotthold Ephraim Lessing, Vordenker in Sachen Toleranz, hat es einmal so formuliert: „Fehler schließen Vorsatz und Tücke aus; daher müssen alle Fehler Allen zu verzeihen sein.“

Das mutige Ausprobieren mit dem Risiko, Fehler zu machen, scheint mir besser, als Fehler partout vermeiden zu wollen. Ich habe schon öfters gelesen, dass Menschen am Lebensende eben das zu den größten „Fehlern“ zählen, was sie unterlassen, was sie sich nicht getraut haben.

Nach meiner Erfahrung sind die meisten Handlungen (oder auch Nicht-Handlungen), die später als Fehler klassifiziert werden, ohnehin mit einer gewissen Notwendigkeit geschehen: Eigentlich hatten wir wichtige Gründe, uns genau so zu entscheiden, oder aber wir hatten (scheinbar) gar nichts zu entscheiden, wir hatten keine Wahl. Hinterher ist man immer klüger, aber vermutlich geht es dabei eher selten um Fehler, sondern um Variationen auf unserem Lebensweg – und wie be- oder abwertend wir damit und mit uns selbst umgehen, das scheint mir maßgeblich dafür, ob unser Leben besser wird.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und Gelassenheit!

Text: © Christoph Wagner, Philosoph und Heilpraktiker (wastutdirgut.de), 1. Vors. NHV Taunus

Foto: © Bild von Steve Buissinne auf Pixabay

Natürliche Wirkstoffe gegen Corona? Kurz-Vortrag am Mi, 07.07.2021, 19.20 Uhr

Tipp des Monats Juli: Vortrag von HP Horst Boss im Rahmen der Online-Veranstaltungsreihe des Deutschen Naturheilbundes

Der Dachverband der Naturheilvereine bietet monatlich an einem Mittwoch, jeweils 19.20-19.50 Uhr, einen Kurz-Vortrag unter dem Titel „10 vor Halb“. Beim aktuellen Termin im Juli geht es um natürliche Wirkstoffe, die präventiv und therapeutisch bei Corona helfen sollen.

Schwere Krankheitsverläufe sind bei Corona-Infektionen gefürchtet. Entzündungen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Neueste klinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, welche natürlichen Wirkstoffe in welcher Dosierung das Immunsystem modulieren und Entzündungen entgegenwirken können – präventiv sowie therapeutisch. Horst Boss, Heilpraktiker und Medizinjournalist, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Deutschen Naturheilbund, hat das Thema in der neuen Folge „10 vor halb“ aufbereitet.

Den Zugangslink zur kostenfreien Veranstaltung können Sie per Mail unter

online-veranstaltungen@naturheilbund.de

anfordern.

Vorschau auf die nächsten Termine:

  • August: Omega-3 – das Superfood bei Herz-/Kreislauferkrankungen (18.08.21)
  • September: Der Darm, dein Freund (29.09.21)
  • Oktober: Die Mistel in der Onkologie (27.10.21)

Weitere Informationen rund um Aktivitäten und Leistungen, aber auch Geschichte unseres Dachverbands:

https://www.naturheilbund.de/

 

Bild: © Tumisu auf Pixabay

 

Kein Aprilscherz: Vorsicht bei neuartigen Medikamenten!

Eine Kolumne mit Tipps von Christoph Wagner (NHV-Vorsitzender)

Medikamente sind in Ländern mit hohem Arzneimittelverbrauch die dritthäufigste Todesursache (nach Herzkrankheiten und Krebs). Rheuma-, Diabetes-, Migränemittel, Blutdruck- und Blutfettsenker, Hormone – in den vergangenen 25 Jahren haben wir manches kommen und gehen sehen. Sobald der Patentschutz abläuft oder Nachfolgerpräparate auf dem Markt sind, tut plötzlich alle Welt, also die wohlinformierte Fachwelt so, als habe man es ja schon länger gewusst, dass die einstigen Wundermittel doch nicht so toll sind. Professoren, die vorher noch die Nicht-Verordnung jener von ihnen beworbenen Medikamente als ärztlichen Kunstfehler anprangerten, erwähnen diese bisweilen nicht einmal mehr.

Wenn von neuartigen Arzneien oder Medikamenten der zweiten oder gar dritten Generation die Rede ist, sollte unsere Alarmanlage anspringen. Bei vielen Indikationen sind die alten Mittel im Nutzen-Risiko-Profil günstiger, ganz zu schweigen von den immensen Kosten der „neuartigen“ Medikamente. Das ist das Perfide an dem System: Da die Patient*innen die Kosten nicht direkt tragen müssen, lassen Sie sich leicht für eine neue und neuste Therapie gewinnen, in der Annahme, es handele sich auch um die beste.

Teure Medizin führt manchmal zu guten Plazeboeffekten (und Nebenwirkungen können diese Effekte absurderweise sogar verstärken). Dagegen sind echte Fortschritte in der medikamentösen Therapie laut Gøtzsche „sehr selten“. Einer der großen Haken an neuen Medikamenten ist oft, dass die Nebenwirkungen vertuscht werden, bis sie nicht mehr zu verheimlichen sind – nicht selten, bis es „genug“ Leichen gegeben hat. Bei mehr als der Hälfte der Medikamente musste nach Markteinführung der Beipackzettel geändert werden, weil ernsthafte Risiken peu a peu bekannt wurden. Nun gibt es Firmen- wie Behördenvertreter, die dazu sagen: „Na, bitte – das System funktioniert doch.“ Viele Arzneimittel sind allerdings richtig gefährlich und die Hersteller wissen es frühzeitig und überlassen es dem Zufall, wann genug schwere Schäden oder gar Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme gemeldet werden. Und auch dann wird oft eben nur der Beipackzettel geändert!

Wie können wir uns schützen? Wir sollten uns zunächst fragen, ob wir überhaupt krank sind, ob wir also ein Medikament brauchen, oder ob uns jemand eine Scheindiagnose, eine erfundene Krankheit untergejubelt hat. Ein aktuelles Beispiel: Nach den Statinen, den vorletzten neuartigen Cholesterinsenkern kommt jetzt wieder eine neue Generation von Lipidsenkern auf den Markt und wird aggressiv beworben. Man folgt dabei „einer in Leitlinien seit Jahren propagierten LDL-Senkung auf konkrete, immer niedrigere Zielwerte – eine Strategie, für die hinreichende Nutzenbelege fehlen“, so das pharmakritische „arznei-telegramm“.

Die Pharmaindustrie weiß, wie man selbst minimale und für die Prognose irrelevante Effekte als „signifikant“ vermarktet. Manche Schlankheitspille führt laut Studienergebnissen dazu, dass die Patienten im Studienverlauf z.B. 3 kg abnahmen – nicht gerade ein Riesenerfolg, wenn man 100 kg wiegt und wenn die 3 kg hinterher schnell wieder zugenommen wurden. Wie skrupellos die Pharmafirmen vorgehen, zeigt sich gerade bei vielen Schlankheitspillen, die nie hätten zugelassen werden dürfen und zahlreiche Menschen das Leben gekostet haben.

Wie wir uns schützen können? Leben Sie gut und gesund, treiben Sie Sport, ernähren Sie sich gesund, verzichten Sie auf Softdrinks (Cola & Co), hören Sie mit dem Trinken von Alkohol auf, sorgen Sie für Entspannung und ausreichend Schlaf, schalten Sie die Glotze ab! Lassen Sie sich keine Angst einjagen. Und: Nehmen Sie kein Medikament, das Sie nicht zwingend benötigen. Wenn Sie einen Hausarzt bzw. eine Hausärztin Ihres Vertrauens haben, fragen Sie ihn (sie) auch zu fachärztlichen Verordnungen. Holen Sie sich im Zweifel eine Zweitmeinung, haben Sie dabei keine Angst zu „nerven“: z.B. wie viele Patienten behandelt werden müssen, damit ein einziger profitiert oder wie deutlich und konkret sich die Prognose durch die Einnahme des Mittels verbessert. Nehmen Sie, falls möglich (es gibt schwerwiegende Erkrankungen oder Stadien, wo dies nicht möglich ist), kein Medikament, das nicht mindestens zehn Jahre zugelassen ist.

Haben Sie den Mut, als unmodern oder konservativ in Bezug auf Innovationen zu gelten. Und ja, die gleiche Vorsicht gilt natürlich gegenüber neuartigen naturheilkundlichen Wundermitteln, egal aus welcher Weltregion sie stammen und welche Ureinwohner damit 120 Jahre alt wurden 🙂

Hinweis: Es kann sehr riskant sein und wird hier ausdrücklich nicht empfohlen, verordnete und evtl. lebenswichtige Medikamente (z.B. Blutdrucksenker) oder auch Medikamente mit Abhängigkeitspotenzial (z.B. Antipsychotika) eigenmächtig und ohne Rücksprache mit dem Arzt oder Heilpraktiker abzusetzen. Weitere Haftungsausschlüsse finden Sie im Impressum.

© Text: Christoph Wagner, NHV-Vorsitzender (Kurzfassung eines Kommentars auf der Website wastutdirgut.de)

© Bild: Pexels auf Pixabay

Tipp im Dezember: Den „Naturarzt“ lesen!

In der dunklen Jahreszeit ist es besonders wichtig, etwas für die Seele zu tun. Im aktuellen „Naturarzt“ findet sich ein Beitrag der Trauma-Expertin Prof. Dr. Luise Reddemann über die Kraft der inneren Bilder. Außerdem zum Top-Thema „Gesunde Psyche“ Artikel zu Stress und Burnout, Pflanzenkraft für die Seele und zur vegetativen Dystonie, einer besonderen Art von Nervosität, die sich häufig vor allem durch körperliche Symptome äußert. Als NHV-Mitglied haben Sie den „Naturarzt“ im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bereits erhalten. Sie finden ihn jedoch auch im Zeitschriftenhandel (z.B. auch Rewe, denn’s). Oder bestellen ihn beim Verlag.

Foto: © Gerd Altman auf Pixabay