> Hier geht es zum ersten Teil des Textes.
In diesem Teil des Beitrags, der sich zunächst allgemein und grundlegend, dann mit einigen prominenten Nahrungsergänzungsmitteln befasst hat, lasse ich Sie in meinem Küchenschrank, Abteilung NEM, schauen: Was ich regelmäßig, aber nicht täglich nehme.
- Vitamin C und Zink bei einem akuten Infekt oder auch nur einem Anflug davon. 1000 mg Vitamin C dürfen es dann schon sein. Das Schlimmste, was bei Überdosierung passieren kann, ist etwas dünner Stuhl bzw. Durchfall. Die Wirkung von Vitamin C ist so gut dokumentiert, der einzige Grund, warum es oft nicht ausreichend eingenommen wird, ist vermutlich, dass daran nicht viel verdient werden kann und sich Werbung nicht lohnt.
- Vitamin D, vor allem im Winterhalbjahr. Vitamin D ist eigentlich kein „Nahrungsergänzungsmittel“, weil man über eine ausgewogene Nahrung unmöglich genug davon aufnehmen kann. Der Körper produziert es im Sommerhalbjahr selbst, wenn wir ausreichend in der Sonne sind. Den Vitamin D-Spiegel sollte man mindestens einmal, besser zweimal im Jahr bestimmen lassen, um die Dosis anzupassen – nach ob oder nach unten.
- Magnesium: Vermutlich ist Magnesium der Mineralstoff, bei dem i Bevölkerungsquerschnitt am ehesten Mangel besteht. Er hat vielfältige Wirkungen, u.a. aufs Herz, sorgt für Muskelentspannung. Wenn keine besonderen Anlässe (z.B. akute Muskelkrämpfe) vorliegen, nehme ich alle drei bis fünf Tage 250 mg, vorzugsweise Magnesiumcitrat und im Sommer eher häufiger. Eine Überdosierung ist unbedenklich, da überschüssiges Magnesium über den Stuhl ausgeschieden wird bzw. Stuhlgang auslöst.
- Selen ist das Spurenelement, das bei vielen nicht ausreichend vorhanden ist. Ich nehme es, u.a. um meiner Schilddrüse Gutes zu tun. Da es prinzipiell auch toxisch wirken kann, mache ich immer mal Kuren damit: über 4-8 Wochen 50 Mikrogramm täglich.
Theoretisch könnte man diese Mikronährstoffe alle über ein einzelnes Kombipräparat einnehmen, da spart man sich unnötige Aufnahme von Füllstoffen, vielleicht auch Kosten. Ich würde aber zum einen darauf schauen, was ich mit dem Kombipräparat noch aufnehme, obwohl ich es gar nicht unbedingt möchte (unnötige bis schädliche Zusatzstoffe), und zum andern, ob ich mit den mir besonders wichtigen Nährstoffen auch die erwünschte Dosis erziele (dies ist häufig nicht der Fall).
- Ich nehme eine Kapsel Roter Reis täglich, obwohl diese mittlerweile aus gesetzlichen Gründen nur noch 3 mg Monacholin enthält (gegenüber vorher 4,5 mg). Wenn ich ein Blutbild machen lasse, sehe ich, ob die Wirkung auf meinen sonst sehr hohen Cholesterinwert auseichend ist. Zur Vorbeugung eventueller Nebenwirkungen (auf die Muskulatur), die man nicht grundsätzlich ausschließen kann – was wirkt, hat auch ein Risiko für Nebenwirkungen –, nehme ich ab und zu ein Q10-Präparat (was auch bei Einnahme von Statinen/Medikamenten zur Cholesterinsenkung empfohlen wird).
- Ich nehme kurmäßig für 26 oder mehr Wochen im Jahr ein Mariendistelpräparat, da ich seit 15 Jahren Gallensteine habe und – vermutlich aus diesem Grund – eine Tendenz zu erhöhten Leberwerten. Im Blutbild kann ich sehen, ob die Leberwerte aktuell okay sind. Da bei mir eine entsprechende Diagnose vorliegt (Gallensteine), zahlt die Kasse auch die Bestimmung der Leberwerte, ansonsten muss man dafür selbst berappen.
- Bei Omega 3 bin ich zugegebenermaßen inkonsequent, ich „glaube“ daran, aber ich nehme nichts regelmäßig. Öfter mal Fisch essen (v.a. statt Fleisch, falls Sie Fleischesser sind), immer wieder Leinöl (nicht besonders effektiv, aber doch gesund) und Hanföl ins Essen, mal Algenpulver im Smoothie – und manchmal Fischöl oder veganes Omega 3. Das ist ziemlich vage, aber ich habe auch keine Symptome oder Probleme (z.B. entzündliche Gelenk- oder Darmerkrankung), bei denen ich einen Hochdosiseinnahme für wichtig halten würde. Wäre dem so, würde ich vorher noch den Omega-3-Omega-6-Quotienten im Blut bestimmen lassen, das kostet Geld, ist aber vielleicht gut investiert – und man stochert nicht nur im Nebel.
Vielleicht sagen Sie jetzt: Diese Palette ist langweilig und altbacken. In der Tat, da ist keines der modernen Wundermittel dabei. Davon habe ich schon viele kommen und gehen sehen. Wenn ich früher als Medizinredakteur oder Heilpraktiker von Vertretern auf derartige neu NEM angesprochen wurde, habe ich öfter gesagt: „Ich warte mal noch 20 Jahre, was von den Versprechungen übrigbleibt.“ Das hat sich kaum geändert: Richtig gut belegt ist nur wenig, aber vollmundig beworben wird viel.
Es gibt also ein paar nützliche Stoffe, die unproblematisch sind, weil der Körper bei Überschuss die Ausscheidung erzwingt (Vitamin C, Magnesium), dann gibt es Vitamine, bei denen wir nicht genau wissen, wie gut sie vom individuellen Organismus und je nach Lebensphase verwertet werden, da lohnt sich die Bestimmung der Blutwerte (Vitamin D und Vitamin B12, die Bestimmung ist dabei etwas komplexer). Darüber hinaus kann man auch arzneilich wirksame Stoffe über NEM aufnehmen (obwohl NEM eben nicht arzneilich gedacht sind) und mit den entsprechenden Laborwerten die Effekte kontrollieren (Roter Reis, Mariendistel, Omega 3). Ich habe einen Widerwillen gegen alles, was man nicht überprüfen kann 🙂
Ein bisschen weniger Exotik und Romantik und viel mehr Nüchternheit täte der Thematik gut. Dazu gehört auch, dass man sich klar macht, dass z.B. die meisten Vitaminpräparate (Vitamin D wie auch B-Vitamine) hochindustriell hergestellt sind. Wir können von Glück reden, wenn der Grundstoff bei BASF oder Bayer in Deutschland produziert wurde, vieles kommt längst aus China oder Indien. Chemie ist Chemie, könnte man sagen – aber wollen Sie das ein Leben lang „ergänzen“, um gesund zu bleiben, länger zu leben, fit zu sein und sich wohl zu fühlen? Oder vielleicht doch lieber etwas gesünder leben?
Ich halte wenig von Thesen wie, dass uns die Zivilisationskost krank mache (da würde mich interessieren, wie sich der Vertreter der These selbst ernährt, und zwar ganz konkret), dass wir alle von der Agrarindustrie vergiftet oder trotz vollen Tellern mangelernährt seien – obwohl an all diesen Thesen „irgendetwas“ dran ist, aber nicht genug, um NEM-Einnahme zu begründen. Dass ein gesunder und gesund lebender Mensch durch Einnahme von NEM gesünder wird, das ist eher unwahrscheinlich. Jemand mit nachgewiesenen Erkrankungen dagegen sollte zum Arzt oder Heilpraktiker gehen. Bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder entzündlichen Darmerkrankungen trifft beispielsweise das Argument mit der Mangelernährung schon zu, aber da würde ich mich als Betroffener nicht auf irgendwelche NEMs verlassen, sondern mich vom Arzt oder HP gezielt beraten und behandeln lassen, je nach Ausprägung der Erkrankung durchaus auch mit zugelassenen Medikamenten.
Auf der anderen Seite verfolge ich mit Neugier und Entdeckerfreude, was sich auf dem NEM-Markt tut und betreibe durchaus häufiger „Warenkunde“, meist theoretisch (beschäftige mich mit den Inhaltsstoffen und recherchiere), manchmal aber auch praktisch, d.h. ich probiere immer mal etwas aus. Obwohl ich weiß, dass man bei vielen Präparaten eben nichts Genaues weiß und den Anbieterversprechungen nicht glauben sollte, tue ich gerne mal so, als ob ich mir jetzt für vier oder sechs Wochen etwas extra Gutes tun würde. Also, wenn schon einnehmen, dann den Plazebo-Effekt mitnutzen! Es gibt aber auch die anderen Phasen, wo ich wochenlang gar nichts einnehme, um mich unabhängig zu fühlen – und zu spüren, wie das ist, wenn ich „nur auf die Nahrung“ (und Bewegung und Entspannung), nur auf mein gesundes Leben angewiesen bin und meine Gesundheits-“Sünden“ nicht (vermeintlich) mit Pillen oder Säften ausgleichen kann.
Welche Tipps kann man Laien geben? Zunächst einmal ist es wichtig, ein Präparat überhaupt als Nahrungsergänzungsmittel wahrzunehmen, egal wie verheißungsvoll oder „aggressiv“ es beworben wird. Bedenken Sie auch: Nur weil etwas auf der Verpackung sehr natürlich aussieht, muss es das noch lange nicht sein. Im nächsten Erkenntnisschritt gilt es, die beworbenen Gesundheitsversprechen den Inhaltsstoffen zuzuordnen: Warum soll z.B. ein bestimmtes Präparat „das Immunsystem unterstützen“ (vielleicht weil Vitamin C darin ist)? Danach kann man durchaus nach den einzelnen Stoffen und ihren Wirkungen im Internet recherchieren. Und schließlich ist es nie verkehrt, seinen Arzt (Ärztin) oder Heilpraktiker(in) zu fragen – auch deshalb, weil das NEM Wechselwirkungen mit Medikamenten haben könnte oder bei einer hochdosierten Einnahme (die ja eigentlich nicht zulässig ist) sogar Symptome auftreten können, die sich der Arzt dann gar nicht erklären kann, wenn Sie entsprechende Infos geheim halten.
© Christoph Wagner (HP), Vors. NHV Taunus
Foto: © Leopictures auf Pixabay