„Es gibt keine Fehler, nur Variationen.“ Ein bisschen Ähnlichkeit hat dieses geflügelte Wort mit dem eher herbstlichen Motto: „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung.“ Beide scheinen nicht ganz ernst, aber auch nicht nur als Spaß gemeint. Vielleicht könnte man sie auch als Herausforderung verstehen, aus dem Schwarz-Weiß-Denken von richtig und falsch oder gut und schlecht herauszutreten, jedenfalls die Sache etwas entspannter zu betrachten.
Ich habe das schöne Motto „Es gibt keine Fehler, nur Variationen“ zunächst beim Heilsamen Singen kennen gelernt, und in diesem Kontext verwende ich es selbst immer wieder. Es steht für die Einladung, sich vom Leistungszwang freizumachen: Es beinhaltet das Versprechen von mehr Spaß und Lebensfreude durch weniger Bewertung.
Das Motto trifft auf viele weitere Lebensbereiche und auf die Lebenskunst zu. Aus ihm sprechen Wohlwollen und Güte, wenn es darum geht, etwas anders zu machen oder etwas ganz Neues zu wagen. Wann immer etwas passiert, was unseren Wünschen oder Idealvorstellungen widerspricht oder auch nur unseren Perfektionismus stört, könnten wir uns fragen: „War’s wirklich ein Fehler oder eher eine Variation?“
Sicher, Fehler gibt es – trotz des schönen Wahlspruchs. Manchmal sind sie für etwas gut: Wir lernen etwas aus dem Fehler. Oder die Leidtragenden unseres Fehlers lernen etwas. Manchmal lässt sich zwar beim besten Willen nicht erkennen, wofür ein Fehler gut gewesen sein soll. Doch selbst dann ist er immer noch für eines gut: Uns und unser Umfeld daran zu erinnern, wie wichtig eine menschliche Fehlerkultur ist!
Gerade wenn ein Fehler total bedauerlich, tragisch, ärgerlich, gravierend und natürlich komplett „unnötig“ ist, geht es um die Frage: Wer darf bei uns (wann) (welchen) Fehler machen? Wie gehen wir damit um? Gotthold Ephraim Lessing, Vordenker in Sachen Toleranz, hat es einmal so formuliert: „Fehler schließen Vorsatz und Tücke aus; daher müssen alle Fehler Allen zu verzeihen sein.“
Das mutige Ausprobieren mit dem Risiko, Fehler zu machen, scheint mir besser, als Fehler partout vermeiden zu wollen. Ich habe schon öfters gelesen, dass Menschen am Lebensende eben das zu den größten „Fehlern“ zählen, was sie unterlassen, was sie sich nicht getraut haben.
Nach meiner Erfahrung sind die meisten Handlungen (oder auch Nicht-Handlungen), die später als Fehler klassifiziert werden, ohnehin mit einer gewissen Notwendigkeit geschehen: Eigentlich hatten wir wichtige Gründe, uns genau so zu entscheiden, oder aber wir hatten (scheinbar) gar nichts zu entscheiden, wir hatten keine Wahl. Hinterher ist man immer klüger, aber vermutlich geht es dabei eher selten um Fehler, sondern um Variationen auf unserem Lebensweg – und wie be- oder abwertend wir damit und mit uns selbst umgehen, das scheint mir maßgeblich dafür, ob unser Leben besser wird.
Ich wünsche Ihnen viel Glück und Gelassenheit!
Text: © Christoph Wagner, Philosoph und Heilpraktiker (wastutdirgut.de), 1. Vors. NHV Taunus
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